Mehr zu Diego El Cigala aus der FAZ: Tanz und Trauer
Von Rolf Thomas
19. September 2009 Seine Stimme ist rauh, sie klingt sehnsuchtsvoll und melancholisch, und mit seinem Aussehen erfüllt der langhaarige Spanier, der in Madrid geboren wurde, alle Klischees des glutäugigen Flamenco-Sängers. Doch Diego el Cigala hat sich vor sieben Jahren auf eine klischeefreie Entdeckungsreise begeben, die jetzt eine Fortsetzung erfährt. Damals hat ihn der kubanische Pianist Bebo Valdés auf die Gemeinsamkeiten von Bolero und Flamenco aufmerksam gemacht. Das Album „Lágrimas negras“ wurde zu einem Welterfolg und kurz nach Erscheinen preisgekrönt. Seitdem hat Diego el Cigala die Liebe zur kubanischen Musik nicht mehr losgelassen.
Auf dem jetzt erschienenen Nachfolgealbum „Dos Lágrimas“ beschäftigt Diego el Cigala eine ganze Armee kubanischer Musiker, darunter den Bassisten Yelsy Heredia und den kürzlich verstorbenen Perkussionisten Tata Güines. Der eigentliche Star des Albums ist aber der zweiundachtzigjährige Pianist Guillermo Rubalcaba, Vater des Jazzpianisten Gonzalo Rubalcaba. Abwechselnd mit dem Flamencopianisten Jaime Calabuch gibt er die Richtung vor, in die sich die elf Stücke bewegen.
Im musikalischen Herzen Kubas
Dass ausgerechnet ein solcher Mann dem Flamenco frische Luft zuführt, mag auf den ersten Blick paradox erscheinen. Doch hier wirkt nichts aufgesetzt, und von einem gewollten Crossover ist nichts zu spüren. Diego el Cigala ist tief in die musikalische Tradition Kubas eingetaucht und hat in den vergangenen Jahren viel Zeit auf der Zuckerrohr-Insel verbracht und dabei viel mit kubanischen Musikern gespielt.
Wenn er dann Orlando Britos „Compasión“ straff durchmisst, in dem ein verlassener Liebhaber nichts als Verachtung für die ehemalige Geliebte übrig hat, und sich dabei nur von Rubalcaba und Heredia, der seinen Bass am Schluss streicht, begleiten lässt, dann führt er dem Lied eine Dringlichkeit zu, die man durch ein opulenteres Arrangement vermutlich nur zunichte gemacht hätte.
Eigentlicher Coup des Albums dürfte aber der Bolero-Klassiker „Dos gardenias“ sein, der durch den Welterfolg des Buena Vista Social Club in den neunziger Jahren ein gigantisches Publikum erhalten hat. Hier arbeitet Diesgo el Cigala nicht nur mit dem Klavier, sondern auch mit Gitarren und einer ganzen Perkussions-Armada und führt das Lied zielstrebig in Richtung Salsa, ohne doch jemals aus seiner Flamenco-Haut zu entweichen.
Ein Forscher entdeckt den Tango
Seiner im Alter von nur einundfünfzig Jahren verstorbenen Managerin Isabel Polanco hat Diego el Cigala die Platte mit dem traurigen Titel - „Dos Lágrimas“ sind „zwei Tränen“ - gewidmet. Sein Forscher- und Entdeckerdrang hat den Mann, den der berühmte Flamenco-Gitarrist Paco de Lucia als eine der schönsten Flamenco-Stimmen unserer Zeit bezeichnet hat, jedoch nicht verlassen. Lucio Dallas „Caruso“ deutet es bereits an: Diego el Cigala hat Argentinien und den Tango entdeckt.
Auch dort gibt es eine ganze Welt zu erforschen - ein noch größeres Publikum wird ihm, nach dem Meisterwerk „Dos Lágrimas“, wohl folgen. Auf der nun anlaufenden Deutschland-Tournee (24. September Düsseldorf, 26. Mainz, 28. Hamburg, 29. Berlin) hat es Gelegenheit dazu.
Diego el Cigala, Dos Lágrimas. Deutsche Grammophon 477 8333 (Universal)
Bildmaterial: Universal Music
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